War es Absicht oder ein Versehen?
Das eSports-Jahr 2019 ist gerade mal eine Woche alt und hat schon den ersten Skandal zu verzeichnen. Das eigentliche Problem liegt aber tiefer.
Mitte Dezember gab es die fast schon sensationelle Meldung, dass eine Overwatch-Spielerin namens Ellie in der Overwatch-Elite ganz vorne mitspielt. Die erfolgreiche e-Sportlerin wurde von Team Second Wind als neues Mitglied vorgestellt. Die Szene war baff erstaunt und konnte nicht glauben, in diesem Game von einer weiblichen OW-Spielerin vorgeführt zu werden. Schon kamen erste Zweifel auf und Spekulationen machten die Runde in diversen Foren.
Als Overwatch-Fan würde sich auch Louisa Müller bezeichnen. Sie ist ein gutes Bespiel dafür, dass es in diesem Spiel auch anders geht.

© Kicker eSports
Dann platzte die Bombe: Es stellte sich heraus, dass Ellie keine weibliche Akteurin war, sondern dass in Wirklichkeit ein männlicher Gamer die Fäden oder besser die Maus in der Hand hatte. Zu Jahresbeginn wurde bekannt, dass es sich bei Ellie wahrscheinlich um einen Overwatch-Profi handelt, der unter dem Gamertag Punisher bekannt ist. Das Team musste zugeben, dass es sich um ein soziales Experiment handelte, das leider nach hinten losging. Die Aktion hat aber eines erreicht: Nämlich offenen Sexismus aufzuzeigen.
Weiblich und zu gut für dieses Game?
Was war geschehen? Ellie sollte an einem Overwatch-Turnier der Serie Contenders teilnehmen. Nach ein paar Tagen war die Spielerin zentraler Streitpunkt. In Diskussionen wurde über darüber spekuliert, wie es sein kann, dass sich eine weibliche Spielerin so erfolgreich in den Matches schlägt. Hier wurden mehr oder weniger unterschwellige frauenfeindliche Vorbehalte laut. Es dauerte nicht lange, bis dann auch offen die Frage gestellt wurde, ob es sich bei der Esportlerin wirklich um eine Frau handelte.
Die Zweifel an Ellies Identität waren durchaus berechtigt, denn es gab kaum nähere Informationen über sie. Als handfester Hinweis soll die Tatsache gewertet worden sein, dass sie sich nicht oder sehr spät per Teamspeak zu Wort gemeldet habe. So wurde gemunkelt, eine Freundin habe einen vorgegebenen Text ins Mikro gesprochen. Sparsamkeit mit Worten ist in MMOs oder MOBAs durchaus verbreitet, ist also bei weitem kein eindeutiger Beweis. Viele Gamer ziehen es einfach vor, zu schweigen oder sich per Chat auszutauschen. Gerade weibliche Spieler schweigen lieber. Denn sie werden, sobald sie als Gamerinnen erkannt werden, mit Anmachversuchen und Belästigungen konfrontiert. Es wäre also durchaus nicht ungewöhnlich gewesen, hätte auch Ellie geschwiegen.
Auch Blizzard bekam „Wind“ von der Sache
Das Team Second Wind bezeichnete die Aktion selbst als gescheitert und sah sich auch veranlasst, eine Entschuldigung zu veröffentlichen. In Ihrer Erklärung hat das Team auch einige Fehler eingestanden. Man habe dringend einen Platz im Team besetzen müssen und die Identität des neuen Mitglieds nicht ausreichend geprüft. Auch Blizzard hat sich schließlich eingeschaltet und bekanntgegeben, dass Ellie nicht offiziell in der Liga angemeldet wurde. Auch aufgrund dessen seien die ansonsten üblichen Checks nicht angewendet worden.

© Blizzard
Die schiefgelaufene Aktion wird höchstwahrscheinlich nicht ohne Folgen bleiben. Das vermutet Liz Richardson, Autorin der Website Overwatchscore. Spielerinnen werden in Zukunft noch mehr angefeindet werden oder sich beleidigende Kommentare gefallen lassen müssen. Ja, das Team hat es wohl verbockt. Auch wenn es nicht so geplant war und im guten Glauben gehandelt wurde, das neue Teammitglied sei tatsächlich eine Frau, hat Team Second Wind sich und der gesamten weiblichen Gamerschaft einen Bärendienst erwiesen.
Immer mehr Frauen bezeichnen Gaming als ihr Hobby – so what?!
ABER: Das „Experiment“ beweist, dass Gleichberechtigung im Gaming nach wie vor ein sehr ernstes Thema ist. Zwar steigen die Zahlen von Gamerinnen stetig. Eine Studie besagt, dass zumindest in Deutschland mittlerweile jede 5. Frau regelmäßig auf einem Gaming PC spielt.
Eine weitere HI-TECH Gamerin, die seit einigen Jahren erfolgreich WoW spielt und kaum Anfeindungen oder Anmachen kennt, ist Neevi.
Der Grat zwischen fiesen Kommentaren, Mobbing und offenem Sexismus ist ein sehr schmaler. Natürlich kommt es auch zwischen männlichen Spielern auch einmal zu neckischen Kommentaren. Und solange es im Rahmen bleibt und mit einem Augenzwinkern versehen ist, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber verbale sexuelle Angriffe oder das systematische Beleidigen, Bloßstellen oder Belästigen über das Internet fällt unter den Begriff Cybermobbing. Und das ist ein Problem, das sehr ernst genommen werden muss. Denn Cybermobbing kann in bestimmten Fällen als strafbare Handlung ausgelegt werden.
Mehr Zocken, weniger diskriminieren!
Wir heißen die Aktion von Team Second Wind ebenfalls nicht gut. Egal ob das Team nun übel getäuscht wurde oder einfach nur nachlässig war in ihrer Mitglieder-Überprüfung, es wirft ein schlechtes Licht auf ihre Sorgfaltspflichten, noch dazu wenn es um hohe Preisgelder geht. Gleichzeitig hat dieses Fiasko aber ganz deutlich gemacht, dass es Gamerinnen und insbesondere e-Sportlerinnen oft sehr, sehr schwer haben, sich zu etablieren und als Gamer ernstgenommen zu werden. Es ist also an der Zeit, die alten Geschlechterrollen endlich über Bord zu werfen. Wir alle sollten Spieler nicht mehr in männlich und weiblich einteilen, sondern als SPIELER wahrnehmen. Denn weniger Diskriminierung heißt, dass man sich auch mehr auf Gaming konzentrieren kann. Und das ist, was zählt!
Somit wünscht euch HI-TECH for Gamers ein friedliches und erfolgreiches Gaming- und eSport-Jahr 2019!